Freude am Bewegen!

Nach den vielen Sonnentagen im August hat uns der Septembermonat schon mit einigen Regengüssen ganz schön erfrischt. Sehr erquickend war für mich auch eine neuliche Bewegungserfahrung im Badener Kurpark. Das Tanzkollektiv PR·SMA hat ihre Bewegungskunst rund um das Kurtheater herum zum Besten gegeben – und zwar nicht nur zum Zuschauen, sondern auch zum Mitmachen! Während mehreren Wochen vor der Erstaufführung ihres Werkes „Poems From Inner Space“ trainierten die Tänzer:innen täglich gut sieben Stunden. Einige dieser Trainingsstunden auf der Kurpark-Wiese waren öffentlich. Alle die Lust hatten, konnten einfach mitmachen – ganz im Sinne eines „public warm-up’s“. Natürlich liess ich mir diese Gelegenheit nicht entgehen! Mit lockernden, dehnenden Körperbewegungs- und -wahrnehmungsübungen ging es los, wobei die Umgebung stets miteinbezogen wurde. So gaben Elena Morena Weber und Lucas del Rio Estévez, die beiden Choreographen des Tanzensembles, ob mit Worten oder Gegenständen, immer wieder erfrischend belebende Bewegungsanregungen in die Gruppe hinein, wie zum Beispiel „give the earth a gentle massage with your feet“, oder „soak the dew from the gras up through your body like a thirsty sponge“. Bald weitete sich das Interaktionsspektrum über das organische Verbinden mit der Umgebung spielerisch auch auf die Teilnehmenden der Trainingsgruppe untereinander aus. Was geschieht, wenn der Freiraum zwischen zwei Menschen zu einem magischen Durchgangstor für einen dritten wird? ” 一动全动 ” = „Yī dòng quán dòng“ = „Bewegt sich etwas, so kommt alles in Bewegung“, würden wohl die alten Taiji Meister dazu sagen. Was braucht es um eine Bewegung in der Gruppe anzuführen? Was, um sie zum Stillstand zu bringen? Wieviel an Zug- und Druckkraft ist für ein kollektiv dynamisches „Zusammen-halten“ stimmig? Und wenn dann mal ein Ball – oder auch zwei oder auch drei – ins Rollen kommen, was braucht es da alles, damit der Bewegungsfluss sich stetig weiterentfaltet und nicht versiegt? … Toll fand ich, dass die Antworten auf diese spannenden Fragen nicht über eine intellektuelle Denkleistung erörtert wurden. Nein, vielmehr wurden sie an Ort und Stelle gemeinsam mit allen Beteiligten vorzu durch Bewegung kreiert und erlebt! In jedem Fall war das eine unglaublich schöne und freudvolle Bewegungserfahrung, für die ich sehr dankbar bin 🙂

Sehr gut gefallen haben mir auch die abschliessenden Qigong Übungen. Im Austausch mit Lucas meinte er, dass beim Tanz die Aufmerksamkeit oft stark auf die Bewegungswirkung im Aussen gerichtet sei, und dass das Bewegungserleben im Innern verhältnismässig eher weniger beachtet werde. Qigong Übungen seien da ein wertvoller Ausgleich, ein Nähren des Inneren, des Yīn (阴), was dann wiederum dem Ausdruck nach Aussen, dem Yáng (阳) noch mehr Kraft verleiht. Dem konnte ich nur zustimmen. Umgekehrt habe ich jedoch auch für mich realisiert, dass ein zu starkes Gewichten der inneren Kultivierung bei einem Mangel an äusseren Entfaltungsräumen ebenfalls sehr einschränkend sein kann, und dass solche spielerisch-kreativen Interaktionsübungen in einer Gruppe von bewegungs- und begegnungsfreudigen Menschen einen wunderschönen, herzöffnenden (开心 = kāi xīn = das Herz öffnen = freudig / freudvoll) Entfaltungsraum für die innere Arbeit (内功 = nèi gōng) bilden können.

Mein Eindruck war, dass die Tänzer im Rahmen dieses Projektes gute 80% ihres Trainings zusammen in der Gruppe hatten und nur geschätzte 20% Solo-Trainingszeit war. Bei mir ist es eher umgekehrt: Die meiste Zeit meines Taiji-Trainings übe und vertiefe ich für mich alleine, während Partnerübungen, an denen ich eigentlich grosse Freude habe, nur einen relativ kleinen Teil ausmachen. Um mein Training etwas mehr auszugleichen, möchte ich in der kommenden Zeit dem Tuīshǒu (推手) – so werden die Taiji-Partnerübungen eigentlich genannt – wieder etwas mehr „Spiel-Raum“ geben. Wer Tuishou noch nicht kennt und so wie ich auch gerne immer wieder mal neue Bewegungserfahrungen machen möchte, dem kann ich die Internetplattform https://push-hands.com/ wärmstens empfehlen. Viele Tuishou-Trainingsmöglichkeiten in der Schweiz, wie auch im Ausland sind dort zu finden.

Ob „public warm-up’s“, Taiji-Tuishou, Kontaktimprovisation, Tango, Streetdance, Parkour, Bergwandern, Pilze-Sammeln oder was auch immer … Hauptsache Freude am Bewegen! Und wenn man diese dann auch noch mit anderen zusammen teilen kann, machts noch mehr Freude! … weil Freude die Herzen öffnen und miteinander verbinden lässt! 🙂

… und übrigens, PR·SMA Kollektiv wird im Dezember 2023 wieder in Baden zu Gast sein – voraussichtlich auch wieder mit public warm-up’s im schönen Kurpark. Ich freue mich jetzt schon sehr darauf!

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